Kasmandl fahren

Kasmandl fahren

Almgeister auf der Fahrt

„Das Käsmandel ist ein kleines Männlein von eisgrauer Farbe, mit erdfalbem, runzlichem Gesichte. Zur Sommerszeit lebt es auf den höchsten Bergzinnen in unzugänglichen Gewänden und dunklen Wäldern, wo es sich von Wurzeln und Kräutern nährt. Im Herbste, wenn der Senne von der Alm mit seiner Heerde zur Heimath gefahren ist, kömmt das Käsmandel aus seinem Schlupfwinkel zu den Almhütten, sucht und sammelt das zusammen, was die Senndinen und Hirten verworfen, verloren oder zurückgelassen haben, und käset diese Überreste, von denen er den langen Winter hindurch sich nähret“. So schrieb Ignaz von Kürsinger bereits um die Mitte des 19. Jahrhunderts.

Wenn in früheren Zeiten der vordringende Schnee Mensch und Tier von den Hochweiden vertrieb, blieben die verlassenen Almhütten als Wohnstätten der Geisterwelt zurück. Es sei nicht gut, wenn man die Geister während der Zeit ihres Regiments störe, so glaubte man. An geheiligten Tagen wie Weihnachten sei der Almbesuch besonders gefährlich. Um die geisterhaften Wesen gewogen zu halten, ließen die Sennerinnen beim Almabtrieb Speisereste als Opfergaben zurück.

Das Kasmandl wurde zu Martini am 11. November in die Alm eingeglöckelt und zu Georgi am 24. April, zur Zeit des Viehauftriebes, glöckelte man es wieder heraus. Es musste also dann von seinem Winterquartier weichen. Beim herbstlichen Kasmandlfahren ging ein Lichtträger voran. Dieser trug eine lange Stange, auf der eine ausgehöhlte Rübe in Form einer Teufelsfratze befestigt war. Im Innern flackerte ein Öllicht, das dem Treiben eine gespenstische Stimmung verlieh. Auf diese Weise brachte man das Kasmandl in die Almen, erklärte Michael Dengg in seinem Buch „Lungauer Volksleben“.

Wann sich das Kasmandlfahren vom nächtlichen Lärmumzug zum Heischebrauch wandelte, ist nicht mehr nachvollziehbar. Heute ziehen am Vorabend des Martinitages Kinder in Kleingruppen und „almerischer“ Kostümierung von Haus zu Haus, tragen Sprüche und Lieder vor, bitten um kleine Gaben und verteilen Schnurraus, taubeneigroße Bälle aus Germteig, die in Fett heraus gebacken werden. Früher wurde der Schnurraus von der Sennerin mit dem Rahmkoch aus den letzten Resten von Milch, Rahm und Butterschmalz hergestellt.

Text: Anton und Josefine Heitzmann
VGL: "Der Salzburger Lungau und seine Bräuchtümer"